Prokrastination: Pro (Vor-, Vorwärts) Crastinum (morgiger Tag) Das extreme Aufschieben von unliebsamen Aufgaben. Oder auch Aufschieberitis.
Sicherlich kennst du folgende Situation
Du kennst die Deadline für das nächste Projekt und kennst auch das Ergebnis, dass du abzuliefern hast. Mal detaillierter, mal sehr vage und offen.
Mal hast du enorm viel Zeit bis zur Deadline oder es sind die fiesen, kurzfristigen Projekte, die viel zu wenig Zeit mitsichbringen.
Eins haben diese unterschiedlichen Projekte aber meist gemeinsam: Das Anfangen gestaltet sich als unfassbar schwer. Manchmal sogar unmöglich. Die Zeit verstreicht, die Panik wird größer, die Ideen, was man statt der eigentlichen Aufgabe tun könnte, entwickeln sich zu einer endlosen Liste. Selbst der Punkt “Abflussrohre reinigen” wird mit unzähligen Herzchen versehen, weil dir diese Aufgabe viel attraktiver und wichtiger erscheint, als dein eigentliches Projekt, dessen Deadline immer näher rückt.
Zu all dem Stress, der Panik und der Unlust gesellt sich dann noch schlechte Laune und fiese, vernichtende Gedanken, die dich an deiner Kompetenz zweifeln lassen.
Ein echt fieser Brocken…
Wie du ins Handeln kommst und der Aufschieberitis den Kampf ansagst
1. Problem erkennen
Warum fängst du nicht an? Wieso schiebst du diese Aufgabe vor dir her? Weshalb blockiert dich dieses Projekt bzw. Thema?
Sei ganz ehrlich zu dir selbst und Frage dich, was der Grund für deine Aufschieberitis ist. Ist es der Druck, den du dir selbst aufdrückst oder von jemand anderem kommt? Macht dir die Aufgabe keinen Spaß? Fehlt dir an einer Stelle das Know-How? Steht der Arbeitsumfang nicht im Verhältnis zur verfügbaren Zeit? Steht dir dein Perfektionismus im Weg?
Um dem Problem auf den Grund zu gehen, kannst du dich endlos dem “Warum” widmen. “Ich kann einfach nicht anfangen. Ich schaffe es einfach noch nicht” Warum schaffst du es noch nicht? “Weil mir der Antrieb fehlt” Ok, warum fehlt dir der Antrieb? “Ich denke, weil sich die Aufgabe so zäh und anstrengend anfühlt.” Und warum fühlt sie sich so anstrengend und zäh an? “Weil es so viele Aufgaben sind und weil mir das Schreiben von E-Mails keinen Spaß macht.” (HA! Hier kommen wir dem Übeltäter auf die Schliche! Frag also ruhig weiter.) Warum machen dir die E-Mails keinen Spaß? “Weil ich mich mit dem Formulieren so schwer tue. Ich möchte keinen schlechten Eindruck hinterlassen” Warum möchtest du keinen schlechten Eindruck hinterlassen? “Weil ich die Befürchtung habe, dass der Kunde oder der Kollege mich dann weniger wertschätzt oder das Projekt dadurch scheitert.”
Das Gespräch könnten wir jetzt noch ewig weiterführen, aber du verstehst, was ich damit meine. Frage dir Löcher in den Bauch. Es gibt keine falsche oder unpassende Frage an dich selbst. (Und an sich ist es ja eh nur die Frage nach dem Warum 😉 ) Manchmal kommt dir nicht direkt die Antwort, also lasse dir bei der Recherche nach der Ursache so viel Zeit, wie du für richtig hältst. Manchmal müssen wir über eine Frage schlafen oder sie mit in den Tag nehmen, um zu einer Antwort zu kommen.
2. Gewohnheiten verändern
Vielleicht bist du schon ein richtiger Aufschiebe-Profi. Du weißt, wie du den unangenehmen Aufgaben geschickt ausweichen kannst, so, dass dein Unterbewusstsein dich immer wieder aufs Neue austricksen kann und du schon wieder in die Aufschieberitis-Falle getappt bist.
Der Mensch sucht sich den geringsten Widerstand und die geringste Anstrengung. Deswegen ist dein Gehirn ein großer Fan von Gewohnheiten. Er realisiert eine Situation, schaut in seinem Register nach einer vergleichbaren Situation und schaut, wie ihr bisher darauf reagiert habt. In der Akte steht auch gleich vermerkt, ob ihr damit eine positive, negative oder relativ neutrale Erfahrung gemacht habt und solange es positiv oder neutral war, wählt er diese Reaktion erneut aus.
Die Angst vor dem Projekt ist also unangenehmer, als das aktuelle aufschieben des Projektes. Dein Gehirn schaut nämlich nicht ewig weit in die Zukunft, um etwaiige Konsequenzen abzuwägen. Du kennst sicherlich die Ü-Ei Werbung, wo den Kindern ein Ei vor die Nase gelegt wird und ihnen ein 2. Ei versprochen wird, wenn sie es noch nicht öffnen. Keine Frage: Alle Kinder finden 2 Eier natürlich besser als nur eins. Aber es ist trotzdem für viele verlockender JETZT eine Belohnung zu bekommen, als dafür noch zu warten.
Deine Aufgabe ist es nun, an die Akte zu gelangen und was anderes einzutragen. Schau bei diesem Artikel mal vorbei, da erkläre ich dir genauer, wie du deine Gewohnheiten ändern kannst.
3. Planen
Auch wenn du vielleicht ein Planungsmuffel bist, rate ich dir dazu einen Plan zu erstellen. Häufig stellen wir uns eine Aufgabe so immens riesig vor, dass der Berg in der Vorstellung von Tag zu Tag größer wird. So hoch, dass man ohne Sauerstoffmaske den Berg gar nicht erklimmen kann. Und dann kommt die Sorge, weil man ja noch nie mit so einer Maske geatmet hat, ob es dann auch klappen wird. Lässt es sich mit dem Gerät überhaupt so gut klettern? Muss man sich da oben anders anziehen, weil es so kalt ist? Und in Wirklichkeit ist es ein Rodelberg…
Hallo Aufschieberitis-Monster mit deinen ach so kompetenten und hilfreichen Anmerkungen…
Wenn du dir dein Projekt in einzelne Meilensteine unterteilst und diese wiederum in kleine Teilaufgaben stückelst und diese noch kleiner auf die einzelnen Tage oder sogar Arbeitssequenzen teilst, dann brauchst du einfach nur stupide den Plan abarbeiten und sieht direkt schon zu Beginn, dass es kein riesiger Berg ist, sondern ein kleiner Hügel. Eine Höhe, die du schon zu häuf erklommen hast.
In dieser Beitragsreihe gehe ich das Planen mit dir Stück für Stück durch
4. Fokus und Belohnung
Und wie kann es anders sein: Der Fokus spielt eine wichtige Rolle beim Aufschieben. Ich habe schon einige Phasen des Aufschiebens hinter mich gebracht. Projekte so lange vor mich her geschoben, dass ich kaum noch Zeit hatte und einfach nur Müll abgeliefert habe. Und mich jedes Mal einfach nur grottig gefühlt habe.
Und dann habe ich herausgefunden, dass Fokus so viele Probleme löst. Zum einen wird man durch das fokussierte Arbeiten schneller fertig. Also ein riesen Pluspunkt bei echt unangenehmen Aufgaben. Augen zu und durch! Und schon ist es auch durch.
Und zum Anderen schafft man es durch das fokussierte Arbeiten leichter in den Flow. Wenn du dich nur auf diese eine Aufgabe konzentrierst und deine Gedanken nur darauf gelenkt sind, hast du fast keine andere Chance, als dich in diese Aufgabe zu vertiefen. Und wenn es mal nicht klappt, weißt du zumindest, dass du nur noch ein bisschen durchhalten musst, bis du es geschafft hast. Nicht jeder Tag ist gleich, aber du solltest dir jedes Mal die Chance geben, dass es eine gute Arbeitssession werden darf.
Wie du fokussiert arbeitest, zeige ich dir in diesem Beitrag. Auch passend dazu ist die Pomodoro Technik.
Und was mir neben dem Timer, der mich von der Arbeit erlöst, ebenso geholfen hat, waren Belohnungen! Keine riesigen und aufwändigen Belohnungen, aber welche, die mich fesseln. Sei es ein leckerer Cocktail, wenn ich es geschafft habe 3 Minuten lang zu arbeiten, ohne mich ablenken zu lassen. Oder die Badebombe, die ich mir für besondere Momente aufgehoben habe, wenn ich 3 Pomodoro-Runden durchgezogen habe.
Dir fallen sicherlich einige Dinge ein, die dir ein Lächeln ins Gesicht zaubern, aber nicht direkt eine Reise in die Ferne bedeuten. Denn wichtig ist es, dass du die Belohnung unmittelbar nach dem Erreichen des Ziels einlöst oder zumindest in die Wege leitest. Die Belohnung soll schließlich mit der Leistung verknüpft werden, damit es dir beim nächsten Mal leichter fallen wird, dich deiner Aufschieberitis zu stellen. Auch dazu findest du hier einen passenden Beitrag inkl. ein paar Ideen, was für Belohnungen du dir überlegen könntest.
5. Die optimalen Arbeitsbedingungen schaffen
Damit du ungestört arbeiten kannst, ist es wichtig, dass du dich gut auf deine Arbeitszeit vorbereitest. Dass du gut gegessen hast, dich ausreichend bewegst und dass dein Arbeitsplatz für die jeweilige Arbeit ausgerüstet ist. Dass dich nichts ablenkt oder stört und du dich vollkommen nur auf diese eine Aufgabe konzentrieren kannst.
Mir persönlich sprudeln meistens schon die Ideen, wenn mein Schreibtisch ganz leer geräumt und gewischt ist. Oder zumindest kommt dann eher die Lust nun was zu arbeiten 😉 Und ohne den lauten, knurrenden Magen lässt es sich auch schöner arbeiten.
Alles in Allem
Aufschieberitis / Prokrastination ist ein riesiges Arschloch! (Ja, ist doch so!) Es hält uns von den wirklich wichtigen Dingen ab, schiebt uns die Probleme wie mit einer Schneeschaufel vor die Füße, aber in einem Tempo, dass wir sein Vorhaben erst sehr spät bemerken. Nämlich dann, wenn das schrappen über den Boden mit seiner Schaufel langsam deutlicher wird und wir einen riesigen Berg an Aufgaben und Problem näher rücken sehen. Und wir sehen, wir er immer mehr dieser Aufgaben auf seinem Weg aufnimmt und immer mehr Sorgen und Probleme freudig auf seinen Berg aufspringen. Und dir selbst steht nur die blanke Panik ins Gesicht geschrieben.
Aufschieberitis zu bekämpfen ist nicht unbedingt leicht. Es gibt selten einen kleinen Schalter, den man umlegt und dann ist alles wieder gut. Zum einen verstecken sich in jedem von uns unterschiedliche Schalter – es gibt also keine ultimative Masteranleitung für das umlegen des Schalters. Und zum Anderen liegen da einige Gewohnheiten im Weg, die umprogrammiert werden wollen.
Aber das ist keine unmögliche Aufgabe, das kann ich dir sagen! Je nach Ausprägung ist es mal leichter, mal schwerer. Es kann bei dir schneller klappen, als bei mir. Und es kann genauso gut was anders funktionieren als bei mir.
Das ist das schwierige, aber auch spannende am Menschen. Jeder ist einzigartig und individuell. Und für jeden gibt es den richtigen Weg.
Deine Aufgabe
Fokussiere dich zunächst auf dein Kernproblem. Lasse dir dabei Zeit. Die Antwort muss nicht binnen 3 Minuten aufpoppen. Da hat sich sicherlich über viele Jahre etwas festgesetzt und gut verankert.
Wenn du aber JETZT SOFORT eine Lösung benötigst, weil die Abgabe bereits übermorgen ist, dann rate ich dir zu einem Pomodoro-Timer und Musik ohne Gesang. Der Timer setzt dich ein bisschen unter Druck, damit du ins Handeln kommst, erlöst dich aber in gesunden Abschnitten, um länger durchhalten zu können und die Konzentration hochzuhalten. Die Musik schotten leichter kleine Störgeräusche ab, lenkt dich aber nicht ab, weil du den Tex kennst, mitsingen möchtest oder du den Sinn des Textes unbedingt jetzt ergründen möchtest.
Und wenn du langfristig etwas an deiner Aufschieberitis ändern möchtest, dann empfehle ich dir mein Workbook. Dort gehen wir dem Übeltäter gemeinsam auf die Spur und schauen uns diverse Strategien an, wie wir diesen überlisten können.